Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.

von Christoph Friedrich Cotta

18.

 

Auch über die damals noch bestehende alte Verfassung des protestantischen Seminariums, oder des sogenannten Predigerklosters, lies Schneider seine Galle aus. Er schrieb also:

Das Froschkloster zu Abbera.

Ein neues Fragment aus der Geschichte der Abderieten.

Wir haben wieder, fährt er fort, ein altes Manuscript in der berühmten Stadtbibliothek zu S. gefunden, und halten es für unsere Pflicht, unsern Lesern (des Argos) den Inhalt desselben unserm Versprechen gemäß, mitzutheilen. Die Klöster sind in ganz Frankreich abgeschafft worden, bis auf ein einziges. Um so angenehmer wird es unsern Lesern seyn, wieder etwas von der Einrichtung des Klosterwesen in den alten Zeiten zu Abdera zu hören.

Die Göttin Diana war die Schutzgöttin der Stadt Abdera. In der Mitte derselben stand ein prächtiger Tempel, den man den Froschtempel nannte, weil er ringsrum mit fließenden Wasser umgegeben war, in welchem die heiligen Frösche, zur Ehre der Schutzgöttin, denen sie geheiligt war, aufbewahrt wurden. Diese Thiere durften bei Tag und Nacht fortquacken, ohne daß ein Sterblicher wagen durfte, nur den geringsten Unwillen darüber zu äussern. Nach und nach wurden die Abderiten so sehr daran gewöhnt, daß sie nichts lieber hörten, als das Quacken der heiligen Frösche, und wenn man eine Musik oder sonst etwas schön tönendes loben wollte, so sagte man zu Abdera im Sprüchworte:: Es lautet so lieblich, als der Gesang der heiligen Frösche.

Nahe an dem Wasser stand das berühmte Froschkloster. Niemand konnte Priester der Diana werden, ohne in diesem Kloster erzogen worden zu seyn. Weil die Anzahl der Priester in Abdera sich über hundert belief; so muße ihre Pflanzschule immer wenigstens mit zwanzig Zöglingen besetzt bleiben. Diese Einrichtung bestand nirgends, als zu Abdera; denn in allen übrien Städten wählte das Volk seine Priester aus der gemeinen Bürgerklasse, und forderte von ihnen nichts weiter, als gesunden Verstand und einige Geschicklichkeit im Opferdienste. Aber die Abderiten mußten immer etwas besonderes haben, und die Amphyktionen erlauben sogar, daß die Unterhaltungskosten des Klosters aus den Gütern der Nation bestritten wurden.

Die innere Einrichtung des Froschklosters war folgende: Die Zöglinge standen morgens um acht Uhr auf, versammelten sich im Speisesaale, und plärrten miteinander eine alte unverständige Hymne zur Ehre der Göttin Diana her. Alsdann tranken sie eine gute Portion gekochten Weins. Nach dem Frühstück steckten sie ihre Kragen an, und liefen in die Stadt, wo sie, besonders in den reichen Häusern, den Kindern Unterricht in den Geheimnissen der Diana ertheilten, und gewöhnlich des Tages fünf bis sechs Stunden zubrachten. Dadurch gewannen sie einen ausserordentlichen Einfluß auf die Bürger der Stadt, und die Archonten oder Rathsherrn mußten es schlechterdings mit ihnen halte, wenn sie in den Wahlen nicht zu kurz kommen wollten. So oft eine Wahl vorgenommen werden sollte, versammelten sich die Demagogen im Kloster, gaben den Zöglingen Wein die Fülle zu trinken, und theilten am Ende der Mahlzeit die Listen aus, nah denen gewählt werden sollte. Die Froschzöglinge trugen sie dann in die vornehmen Häuser; und so verfehlten denn die Herren selten ihres Zweckes. Am meisten liessen sichs die wohlbeleibten Abderintinnen weiter angelegen seyn, die Listen, die ihnen von ihrem Hofmeister beigebracht wurden, ihren Männern gegelegentlich zu empfehlen. Da die Abderintinnen Anspruch auf Schöngeisterei machten, und in ganz Abdera beinahe Niemand etwas las, ausser den Froschpriestern und ihren Zöglingen, so geschah es häufig, daß letztere mit den Weibern und Töchtern sehr enge Verbindungen schlossen, welches sie denn für den ehelosen Stand, in welchen sie bis zu ihrer Versorgung leben mußten, ziemlich schadlos hielt.

Mittags um 12 Uhr und Abends um 8 Uhr wurde gepeist. Der Tisch der Zöglinge befand sich gewöhnlich in vier Schüsseln Mittags, und in dreien Abends. Jeder bekam einen Becher Weins auf die Mahlzeit, welcher an Festtagen verdoppelt wurde. Eugenius, einer der Archonten, nahm ihnen zur Zeit des großen Krieges die Hälfte des Weines weg; aber dafür ward er auch als Ketzer ausgeschrieen, und es entstand bei dieser Gelegenheit eine Art von Revolution unter den Abderitinnen, welche in allen Kränzchen sagten: Eugenius sei ein Freigeist, und glaube nicht an die Unverletzlichkeit der heiligen Frösche. Nach Tische liesen die Zöglinge wieder aus, und suchten ihre empfindsamen Schönen auf, um in ihrer Gesellschaft der Verdauung abzuwarten.

Die Froschzöglinge mußten beim Eintritt ins Kloster geloben, nie an der Heiligkeit der Frösche und der Unfehlbarkeit der Priester zu zweifeln. Sie durften durchaus nicht mit der Parthei der Eleutheraner halten, oder sie wurden so lange geneckt und verfolgt, bis sie das Kloster verlassen mußten. Sobald einer das geringste für die Athener und wider Philipp von Macedonien sprach, ward er als ein Ruhestörer oder gar als ein Atheist angesehen. Wenn sie Jemand schimpfen wollten, so nannten sie ihn einen Eleutheraner, Freiheitsapostel. Sogar ihren Hunden gaben sie spottweise den Namen: Eleutheraner.

Nach dem Stiftungsbriefe sollten sie verschiedene Wissenschaften erlernen; oder sie hatten keine Zeit dazu, und begnügten sich, täglich eine, höchstens zwei Stunden den Vorlesungen ihrer Lehrer beizuwohnen. Auch sahen diese nicht sehr darauf, wenn sie nur richtig bezahlt wurden. Ihr Hauptstudium war die alte trojanische Sprache, in welcher, wie man glaubte, das Buch der Geheimnisse der großen Göttin ursprünglich verfaßt war. Sie brachten es aber selten dahin, daß sie eine Zeile richtig ins Griechische übersetzen konnten. Die Lehrer selbst gaben sich hauptsächlich mit Erklärungen der ägyptischen Hieroglyphen ab, und wurden für sehr gelehrt gehalten, weil sie in ganz Abdera fast niemand verstand. Sie bezogen jährlich zwölf tausend Drachmen, welche ihnen die Nation aus den heiligen Gütern bezahlen ließ. Einer von ihnen hatte die Oberaufsicht, und wurde der Froschbischof genannt. Er kam nie ins Kloster; aber er durfte sich so, wie die übrigen Priester, nie anders, als im grüngestreiften Oberhembe sehen lassen, wenn er kein Aergernis geben wollte. Denn die grüne Farbe war die Leibfarbe der Göttin.

Im Kloster selbst waren zwei Ephoren oder Aufseher, von denen der eine Heriodidaskalos, und der andre Pädagogos hieß. Beide mußten wachen, daß richtig gefrühstückt, zu Mittag und zu Nacht gespeißt wurde. Sie hatten einen besondern Tisch, und konnten so, wie ihre Zöglinge in der Stadt Unterricht geben. Ihre besondere Pflicht war es, zu verhüten, daß nichts wider die Parthei der Philippiker oder für die Parthei der Eleutheraner gesprochen wurde. Das Bildniß des Pantokleios hieng in dem Speisesaale, und jeder, der vorübergieng, mußte sich dreimal vor demselben neigen. Wenn ein Zögling mit Demokritus oder Anacharsis Umgang hatte, so ließen die Aufseher Betstunden anstellen, um ihn von der Freigeisterei zu bewahren; und wenn die Betstunden nichts halfen, so ward er in den Bann gethan. Die Aufseher mußten immer das Buch der Geheimnisse in den Händen, und den Namen der großen Göttin im Munde haben.

Man hatte einmal im Rathe der Amphyktionen den Vorschlag gemacht, das Froschkloster aufzuheben; aber da riefen alle Abderiten und Abderitinnen, die Religion sey verloren. Man schickte unter Anleitung des berühmten Üantokleios Deputirte nach Athen, und hat so lange, bis man ihnen ihre Frösche, ihren Froschtempel, ihre Froschpriester und ihre Zöglinge ließ; und wahrscheinlich werden sie selbige noch so lange behalten, bis das große Licht der allgemeinen Philosophie über ganz Griehenland aufgehen wird. – So weit war das Manuscript leserlich. Wir bedauern, daß wir keine fernere Nachrichten von diesem interessanten Kloster liefern können.«


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