Des Knaben Wunderhorn

Eine Liedersammlung von Joachim von Armin und Clemens von Brentano

Der Graf im Pfluge

Adelung's Magazin der deutschen Sprache. II. B. 3. Stück. S. 114.


        Ich verkünd euch neue Mehre,
        Halt Frieden bei der Kann.
        Zu Rom da saß ein Herre,
        Ein Graf gar wohlgethan,
        Der war von reicher Habe,
        War mild und tugendhaft,
        Wollt ziehen zum heiligen Grabe,
        Nach Ehren und Ritterschaft.

        Sein Frau erschrack der Mehre,
        Sie blickt den Grafen an:
        »Gnad mir edler Herre,
        Dazu mein ehelich Mann,
        Mich nimmt Wunder sehre,
        Was euch die Ritterschaft soll,
        Habt ihr doch Gut und Ehre,
        Und alles, was ihr wollt.«

        Er sprach zu seiner Frauen:
        »Nun spar dich Gott gesund,
        Alles will ich dir vertrauen,
        Allhie zu dieser Stund.«
        Also schied er von dannen,
        Der edle Graf so hart,
        Groß Kummer stand ihm zu handen,
        Eins Königs Gefangner er ward.

        Er mocht ihm nicht entfliehen,
        Das war sein gröste Klag,
        Im Pflug da must er ziehen,
        Viel länger denn Jahr und Tag,
        Erlitt viel Hunger, und schwere
        Ward ihm die große Buß.
        Der König reit vor ihm here,
        Der Graf fiel ihm zu Fuß.

        Der König sprach: »Mit nichten«
        Sprach noch dem Grafen Hohn:
        »Es hilft dir doch kein Bitten,
        Schwör ich bey meiner Kron;
        Und fielest du alle Morgen,
        Täglich auf deine Knie,
        Du möchtest nicht ledig werden,
        Denn deine Frau wär hie.«

        Der Graf erschrack der Mehre,
        Groß Leid er ihm gedacht:
        »Bring ich mein Frauen here,
        So wird sie mir geschwächt,
        Und soll ich hier noch bleiben,
        So gilt es meinen Leib,
        Darauf so will ich schreiben,
        Will schicken nach meinem Weib.«

        Einer der war an dem Hofe,
        Der hat die Gefangen in Hut,
        Dem übertrugs der Grafe,
        Verhieß ihm Hab und Gut,
        Ein Brief schreibt der behende,
        Macht seiner Frauen klar,
        Sein Kummer möcht niemand wenden,
        Denn sie käm selber dar.

        Der Bote zog ohne Trauern,
        Wohl über das wilde Meer,
        Zu Rom fand er die Frauen,
        Den Brief den gab er ihr:
        Den thät sie selber lesen,
        Gar heimlich und gar bald,
        Sie verstund ihres Herren Wesen,
        Ihr Herz ward ihr gar kalt.

        Ein Brief schrieb sie wieder weise
        So gar behendiglich,
        Wie sie nicht möchte reisen;
        Es wär ja unmöglich,
        Daß eine Frau möcht fahren
        Wohl über das wilde Meer,
        Kein Gut wollt sie nicht sparen,
        An ihrem Grafen Herrn.

        Der Bote thät sich eilen,
        Wohl wieder heim ins Land,
        Die Frau die stand in Leiden,
        Gar wohl sie das empfand.
        So gar in stiller Sache
        Thät sie das alles gerne.
        Sie ließ ein Kutten machen,
        Sich eine Platte scheeren.

        Die Frau konnt lesen und schreiben,
        Und andre Kurzweil viel,
        Sie konnte Harfen und Geigen,
        Und ander Saitenspiel;
        Da hing sie an ihr Seiten,
        Harfen und Lauten gut,
        Dem Boten that sie nachreiten,
        Fuhr übers Meer voll Muth.

        Sie zogen der Tage viele,
        Die Frau gar wunnesam
        Aufm Meere hub an zu spielen,
        Jedermann da Wunder nahm.
        Der Bot saß ihr genüber,
        Den ihr der Graf geschickt,
        Die Augen gingen ihr über,
        Sie kannt ihn, er sie nicht.

        Der Bote sprach mit Sinnen
        Wohl zu dem Mönche sein:
        »Herr wollt ihr Gut gewinnen,
        So ziehet mit mir heim,
        Zu einem König reiche,
        Der gibt euch reichen Sold;
        Er läst euch Speise reichen,
        Als lang ihr bleiben wollt.«

        Der Bot ließ nicht davon,
        Wie sehr der Mönch ihn bat.
        Sie zogen mit einander,
        Wohl an des Meers Gestad,
        Sie zogen alle beide
        Viel Berg und tiefe Thal,
        Die Frau im Möncheskleide,
        Wohl vor des Königs Saal.

        Der König kam gegangen
        Mit Rittern und Knechten viel,
        Die Frau ward schön empfangen
        Mit ihrem Saitenspiel,
        Da schlug sie auf der Laute
        Gar freudenreiche Wort,
        Die Heiden sprachen all überlaute:
        Nie hätten sies schöner gehört.

        Der Mönch saß oben am Tische,
        Sie hatten ihn lieb und werth,
        Man gab ihm Wildpret und Fische,
        Und was sein Herz begehrt;
        Da sie das also sahe,
        Dacht sie in ihrem Muth,
        Da ihr so gütlich geschahe:
        Mein Sach wird werden gut.

        Da schlug sie auf der Harfe,
        Und macht ein frisch Gesang,
        Gar höflich und gar scharfe,
        Daß hell der Pallast erklang,
        Die Heiden musten springen,
        Damit, da ward es Nacht,
        Wohl unter denselben Dingen,
        Ward dem Grafen die Botschaft bracht.

        Dem Grafen kam die Mehre
        Von seinem schönen Weib,
        Wie sie nicht käm dahere,
        Es wär ihr unmöglich;
        Viel Schand wär unter den Heiden,
        Sie käm in große Noth,
        Der Graf der gedacht im Leide,
        Nun muß ich leiden den Tod.

        Die Frau war an dem Hofe,
        Bis an den andern Tag,
        Da sah sie nach dem Grafen,
        Es war ihr gröste Klag,
        Da ging sie an die Zinne,
        Gar heimlich unermeldt,
        Sie ward ihres Grafen inne,
        Den Pflug zog er im Feld.

        Wohl zu derselben Stunde,
        Hob sie viel heiß zu weinen an,
        Daß sie ihm nicht helfen konnte,
        Wie sie gern hät gethan;
        Sie war gar unverdrossen,
        Sang schöner jeden Tag,
        Vier Wochen war sie im Schlosse,
        Eh sie da Urlaub nahm.

        Der König wollte lohnen,
        Den Mönch wollt lohnen wohl,
        Ihn krönt mit goldner Krone,
        Viel Gelds, ein Schüssel voll:
        »Nimm hin mein lieber Herre,
        Last's euch verschmähen nicht.«
        Der Mönch wehrt sich gar sehre:
        »Ist nicht meines Ordens Sitt!«

        Der Mönch der sprach mit Sitten:
        »Ich will kein solchen Sold,
        Ein Gab will ich erbitten,
        Ist nicht um rothes Gold,
        Und nicht um Edelgesteine,
        Noch sonst um andern Rath,
        Dort um den Menschen alleine,
        Ders Feld umpflüget hat.«

        Der König sprach mit Fuge:
        »Herr nehmt ihn in Gewalt.«
        Man bracht den Grafen vom Pfluge,
        Wohl vor den König bald,
        Da sprach der König mit Treuen,
        Und gab dem Grafen Rath:
        »Dank du dem Abentheurer,
        Der dich erlöset hat.«

        Die Frau stand an dem Meere,
        Wohl an dem andern Tag,
        Der Graf ließ nicht davone,
        Wollt ziehen zum heiligen Grab,
        Wiewohl er hät nicht mehre,
        Weder Habe noch ander Gut,
        Noch half ihm Gott der Herre,
        Uebers Meer er fahren thut.

        Der Grat kam heim gegangen,
        Bestäubt und ärmiglich,
        Es hat ihn schön empfangen,
        Die Fraue säuberlich:
        »Ein Brief hab ich dir geschrieben
        In Kummer und großer Noth,
        Da bist du daheime blieben,
        Du achtest nicht, ob ich todt.«

        Die Frau die sprach mit Züchten:
        »Herr, das ist alles wahr;
        Im Brief habt ihr geschrieben,
        Von eurem Kummer gar,
        Das lasset euch nicht reuen,
        Traut lieber Herre mein,
        Ich durft dem Boten nicht trauen,
        Ich fürchtet der Ehren mein.«

        Der Graf, der war daheime,
        Bis an den andern Tag,
        Sein Freund die kamen, ihn grüßen,
        Sie führten der Fraue Klag,
        Wie sie umzogen wäre,
        So lange und so spät,
        Bald hin und wieder heime,
        Weiß niemand was sie schaffen hat.

        Die Frau sprang auf gar schnelle,
        Wohl von dem Tische drat,
        Sie ging in ihre Kammer,
        Sie legt die Kutte an,
        Sie nahm in ihre Hände
        Die Lauten und Harfen gut,
        Recht wie sie hat gestanden
        Vorm König wohlgemuth.

        Sie trat hinein mit Schalle,
        Wohl durch die Thür geschwind,
        Sie thät sie grüßen alle,
        Die da gesessen sind,
        Der Graf erfreuet sich balde,
        Da er sie wieder sah:
        »Das ist der Abentheurer,
        Der mich erlöset hat!«

        Da ward die Frau bald jehen:
        »Herr, das ist alles wahr,
        Ihr habt mich wohl gesehen,
        Vorm König, offenbar,
        Der König der thät sprechen,
        Wohl zu derselben Sach;
        Du Gefangner und Gebundner,
        Geh aus ohn Ungemach.«

        Die Freund erschracken gar sehre,
        War ihnen schwere Buß,
        Sie standen auf von dem Tische,
        Und fielen der Frauen zu Fuß,
        Sie thäten sie fast bitten,
        Daß sie ihnen das vergebe,
        Also wird Fraun abgeschnitten,
        Ihr Treu und auch ihr Ehr.


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