Des Knaben Wunderhorn

Eine Liedersammlung von Joachim von Armin und Clemens von Brentano

Romanze vom großen Bergbau der Welt

Im Ton: Wie schön leucht uns der Morgenstern.

Der durch das geistliche Schlegel andächtiger Berg-Reihen das Gedinge seines Glaubens herausschlagende Bergmann. Anno 1721. S. 56-61.

    Auf! richtet Augen, Herz und Sinn
    Zu jenen blauen Bergen hin,
    Da Gott der Berg-Herr thronet!
    Fahrt von der Erde tiefen Bahn
    In grünen Hoffnungs-Kleidern an,
    Wo milder Segen wohnet;
    Betet, tretet
    Im Gemüthe
    Zu der Güte,
    Die bescheret,
    Was den Leib und Geist ernähret.

    Gott hat in diesem Erdenball
    So mancher Erze reichen Fall
    Mit weiser Hand verborgen.
    Gold, Silber, Kupfer auf sein Wort,
    Streicht in den edlen Gängen fort,
    Die Menschen zu versorgen,
    Mächtig, prächtig
    Durch die Flötzen
    Heißt er setzen
    Die Metallen,
    Daß sein Ruhm muß herrlich schallen.

    Es sieht so manches rauhe Land
    In Werken seiner Wunder-Hand
    Macht, Kraft und Weisheit spielen,
    Wo man kein zartes Blümchen spürt,
    Kein Frühlings-Gras sich grün aufführt,
    Muß die Natur erzielen,
    Lichte, dichte
    Berggeschicke
    Zum Gelücke,
    Die erweisen,
    Wie man soll den Schöpfer preisen.

    Es streicht in diesem Erdenhaus
    Im Erz zu hellen Tage aus
    Des großen Vaters Liebe,
    Die wittert vor bei Tag und Nacht,
    Aus jeden Stollen, Kluft und Schacht;
    Die weissen Quarzgeschiebe
    Geben eben
    Wie die Gänge
    Durch die Menge
    Zu erkennen,
    Was wir Vater-Güte nennen.

    Denn da sieht ihren milden Gott
    Die Armuth nach dem herben Spott,
    Und vielen Zähren-Triefen.
    Wenn das Vermögen ist verwüst,
    Und alle Mittel zugebüßt,
    Kommt aus der schwarzen Tiefen
    Letzlich, plötzlich
    Reiche Beute
    Für die Leute,
    Die vertrauen
    Gott, und gläubig auf ihn bauen.

    Drum rufen wir auch diesen an,
    Der fündige Gebirge kann
    Eröffnen und erhalten;
    Er wolle mit der Segens-Hand
    Auch über unser Sachsenland
    Forthin genädig walten;
    Hören, Lehren,
    Wenn wir schürfen
    Und bedürfen
    Hülf und Rathen,
    Sonst ist nichts mit unsern Thaten.

    O großer Grundherr aller Welt!
    Weil deine Vorsicht uns erhält
    Auch von der Erden Schätzen;
    Bescheere gutes Erz allhier,
    Und laß die Gänge, Macht und Zier
    In ewge Teufen setzen.
    Klüglich, tüglich
    Laß uns bauen
    Ohne Grauen,
    Mittel finden,
    Und den Mangel überwinden.

    Zähl uns in Assers Stamm mit ein,
    Und laß uns so gesegnet seyn,
    Daß Erz an Schuhen klebe,
    Daß sich kein edler Gang abschneid,
    Und uns vergnüge jederzeit,
    Viel reichen Vorrath gebe.
    Größ're, beß're,
    Sieh aufs Gleiche,
    Daß der Reiche
    Dem nicht schade,
    Der bedürftig deiner Gnade.

    Doch bitten wir dich, Herr! zugleich,
    Mach' uns zuerst am Geiste reich,
    Mit himmlischer Genüge;
    Daß unser Gang zu dir gericht,
    Die Stunde ja verrücke nicht,
    Noch tausend Mittel kriege,
    Handel Wandel,
    Sey gerichtig
    Und vorsichtig
    Laß uns bleiben,
    Weil wir hier das Bergwerk treiben.

    Schenk uns nur, allerhöchster Hort!
    Was Christus hat gefördert dort
    Aus seiner Leidens-Grube,
    Da er zum Lebens-Gange brach,
    Und hieß uns alle folgen nach,
    Die Beuten, die er hube,
    Muthig, blutig,
    Durch die Klüfte
    Seine Hüfte
    Hilft uns wallen,
    Wenn des Leibes Schacht muß fallen.

    Die Welt ist unser Golgatha,
    Wo ein Kreuzgang dem andern nah:
    Laß Zion uns erblicken,
    Und Karmel, da in stolzer Ruh,
    Elias ruft der Knappschaft zu,
    Weit von den Erdgeschicken:
    Glück auf! Blick auf!
    Komm gefahren
    Vor den Jahren,
    Komm in Sprüngen
    Von der Sabaths-Schicht zu singen.

    Drum führ' uns einst, wie Simeon,
    Auf einer sanften Fahrt davon,
    Zu deinen Friedenszechen,
    Wo man das neugeborne Kind,
    Auch den Erz-Engel mächtig find,
    Und Freuden-Gold kann brechen:
    Oedes, schnödes,
    Müssen merken
    Die Gewerken
    Hier in Hoffen,
    Bis sie dort den Gang getroffen.


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