Anna Lühring

* 03.08.1796 in Bremen
† 25.08.1866 in Hamburg-Horn

Anna Lühring wurde am 03.08.1796 in Bremen als Tochter des Zimmermannmeisters Johann-Christoph Lühring und der Margarethe Marie, geborene Alfken geboren. Sie hat noch 4 Geschwister.

Als im Oktober 1813 russische Kosaken und die Lützower Jäger unter dem Befehel des Generals von Tettenborn die alte Hansestadt Bremen von der napoleonischen Herrschaft befreiten, wurden auch im Hause Lühring Soldaten einquartiert. Im Hause des Zimmermanns wurde ein Lützower Jäger einquartiert, der wie in vielen anderen Bremer Familien auch am häuslichen Leben teilnahm, war sie von dessen Kriegsgeschichten angezogen. Bei dem jungen Mädchen, die sich nie als Frau fühlte, reifte der Entschluss, sich den Lützowern anzuschließen, als sie vom Schicksal der Eleonore Prochaskas erfuhr, die im Gefecht an der Göhrde im feindlichen Kugelhagel ihr Leben verlor und erst nach ihrer Verwundung ihr wahres Geschlecht offenbarte. Bis dahin kämpfte sie als Mann verkleidet gegen Napoléon.

Inspiriert durch dieses Vorbild machte sich Anna Lühring in der Nacht vom 13. auf den 14.02.1814 in den Kleidern ihres Bruders auf, um sich bei der »Schwarzen Schar« einzutragen. Sie nahm den Namen Eduard Kruse an, Sohn eines Konsistorialrates aus Oldenburg, 17 Jahre alt. Sie erhielt von Münster aus einen Marschbefehl nach Jülich, wo die Lützower zusammen mit russischen Truppen die französische Festung belagern. Sie gehörte der 5. Kompanie des 3. Bataillons unter dem Befehl Friedrich-Ludwig Jahns an. Während der Belagerung der französisch besetzten Festung erhielt sie eine grundlegende Ausbildung und lernte zugleich auch den Umgang mit der Waffe. Auch war ihr erster Gefechtseinsatz in jener Zeit.

Nach der erfolgreichen Belagerung von Jülich marschierten die Lützower am 24. März den nach Frankreich.

In Aachen wurde der Jäger Eduard Kruse zu Kapitän Helmenstreit befohlen und gab auf Befragen sein wahres Geschlecht an. Gleichzeitig bat sie jedoch weiterhin bei der Kompanie bleiben zu dürfen. Da sie sich in der Vergangenheit gut bewährt hatte, stimmte der Kapitän zu. Er gab aber an den ihren Kompanieführer die Anweisung, »den Jäger Kruse nur allein oder mit den ehrbarsten Männern ins Quartier zu legen«.  Helmenstreit wurde auf die Lühring aufmerksam, weil ihr Vater einen Brief aus Bremen schrieb und nach der vermissten Tochter suchte.

Sie marschierte mit auf Richtung Paris und nahm auch im Sommer 1814 an der großen Parade in Berlin teil. Und zum ersten Mal dachte Lühring an die Heimkehr nach Bremen. Ihr Vater, dem sie schrieb verstieß sie für mindestens 2 Jahre, weil er die Schande, die seine Tochter über die Familie brachte, vergessen lassen wollte.

Sie wurde inzwischen in Berlin herumgereicht. Empfänge bei Prinzessin Marianne, die nach dem Tod von Königin Luise die erste Frau Preußens war, empfangen und bekam von ihr eine kostbare Tasse geschenkt. Auch zeichnete General von Tauentzien, der Sieger bei Wittenberg, sie mit seiner eigenen Kriegsdenkmünze 1813/14 aus. Auch der preußische Held der Befreiungskriege Generalfeldmarschall Blücher empfing sie. In Preußen stilisierte man sie – ebenso wie Eleonore Prochaska – zu einem Heldenmädchen.

Währenddessen wurde ihre Rückkehr nach Bremen durch ihre Freunde vorbereitet. In Bremen hielt man das junge Mädchen für ein liederliches Frauenzimmer, das den Soldaten nachrannte und somit ihre Ehrbarkeit verlor. Erst durch die Vermittlung eines preußischen Hofrats konnte Vater Lühring überzeugt werden, dass er seinen Segen zur Rückkehr gab. So konnte Anna Lühring im Februar 1815 wieder nach Hause zurückkehren. Sie zog unter den begeisterten Jubel der Bremer in ihrer Uniform des Lützower Freikorps in ihrer Vaterstadt ein.

Im gleichen Jahr entstand noch ein kleines Ölgemälde, dass das Mädchen mit einem Federkeil in der Hand vor einem Briefbogen zeigt, die Soldatenausrüstung neben ihr. Im gleichen Jahr entstand noch ein kleines Reliefmedaillon, das einen Mädchenkopf mit Kächer, Fackel und Füllhorn als Symbole des Kriegs und Friedens zeigte. Es wurde an ihrem Elternhaus angebracht, jedoch in den Wirren des Zweiten Weltkriegs zerstört.

Ihre Heldentaten gerieten jedoch sehr schnell in Vergessenheit. Dies wurde insbesondere dadurch deutlich, dass eine bewilligte Ausbildung zur Lehrerin durch den Bremer Senat wieder aufgehoben wurde.

Sie heiratete im Jahre 1821 den Kellner Peter Luucks, der aus Altona stammte und im Jahre 1827 Hamburger Bürger wurde, und zog mit ihm nach Hamburg-Horn, wo sie nach seinem frühen Tod am 08.10.1832, einsam und in Armut lebte. Ein Kind aus der Ehe starb bereits in jungen Jahren. Sie hielt sich mit Näharbeiten über Wasser und erhielt immer mal wieder eine Unterstützung durch den Hanseatischen »Verein aus der Averhoffischen Stiftung«.

Der Mythos der Anna Lühring verblasste schnell. Das damalige Frauenbild gab den Frauen keine Rechte und ließ ihnen nur die Rolle der Mutter und Ehefrau. Aber weder politische noch gesellschaftliche Rechte wurden ihr, die in den Reihen der bewaffneten Krieger stand, zugestanden. So wurde auch ein Antrag, der unter anderem durch den ehemaligen Bremer Freikorpsführer und Fabrikanten Böse befürwortet wurde, an den Bremer Senat, der Lühring einen Ehrensold zu gewähren, abgelehnt.

Erst im Jahre 1860 wurde ihr, auf Antrag ehemaliger Hamburger Kameraden, eine jährliche Rente von 150 Goldgulden durch den Bremer Senat bewilligt. Aber auch von dieser Rente konnte sie nicht leben, und war so gezwungen, bis zu ihrem Tode am 25. August 1866 ihren Lebensunterhalt durch Näharbeiten zu verdienen. Eine Teilnahme an der Jubelfeier anlässlich der 50jährigen Erinnerung an die Völkerschlacht in Hamburg lehnte sie vehement ab.

Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem evangelischen Friedhof in Hamburg-Hamm. Es ist heute noch eine Grabplatte erhalten, wo an ihre Zeit in den Reihen der Lützower Jäger mit nachfolgenden Worten gedacht wird:

Hier ruht Anna Lucks, geb. Lühring
Sie diente als Lützower Jäger und kämpfte im Freiheitskriege 1813-1814
Sie erwarb sich die Achtung ihrer Vorgesetzten und Kameraden.

Auch eine Straße wurde in Hamburger Stadtteil Horn der Anna-Lühring-Weg in der Nähe der Horner Rennbahn nach ihr benannt. Auch ihre Vaterstadt benannte die Anna-Lühring-Straße und den Anna-Lühring-Weg nach der Lützower Jägerin.

Heute sind im Bremer Focke-Museum noch einige Gegenstände von Lühring von ihr erhalten. So ist ihre Jägerbüchse ebenso ausgestellt worden wie die von Prinzessin Marianne überreichte Tasse.


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