Isaak Markus Jost

* 22.02.1792 in Bernburg
† 20.11.1860 in Frankfurt/Main

Geboren wurde Issak Markus Jost am 22.02.1793 in Bernburg als Sohn eines Schutzjuden. Sein Vater Jost, der aus Jaroslaw stammte, siedelte sich im Jahre 1780 als Schutzjude in Bernburg an. Die große 11köpfige Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen und als im Jahre 1798 der Vater vollständig erblindete wurde der gerade fünfjährige Sohn Markus Issak sein Führer. Die meisten seiner Geschwister starben bereits im Kindesalter.  Bis zu diesem Zeitpunkt unterrichtete der Vorsänger der jüdischen Gemeinde, der Arzt Dr. Matthis, den Jungen im Lesen der hebräischen Schrift und Rechnen sowie dem Studium des Talmuds. Er nahm, um seinen aufgeweckten Geist zu fördern auch am hebräischen Grammatikunterricht teil, den Dr. Mattis einigen befähigten Schülern anbot. Nach dem Tode des Vaters wurde der Knabe nach Wolfenbüttel an die Sanson-Schule geschickt.

Die Sanson-Schule wurde im Jahre 1786 als jüdische Freischule durch den Wolfenbütteler Hofbankier Philipp Sanson (1743-1805) als Stiftung gegründet. Sie befand sich in der Nachbarschaft der im Jahre 1781 durch ihm gestifteten Synagoge. Im Jahr 1796 schuf die Witwe seines Bruders Herz Sanson (1738-1794) eine weitere Lehranstalt in Wolfenbüttel. Als Jost an die Lehranstalt kam, waren die Verhältnisse sehr bescheiden, da die Lehrer untereinander zerstritten waren. So schrieb er in seiner autobiografischen Skizze:

Wenn ich daran zurückdenke“, schreibt J. in einer autobiographischen Skizze, „wie die edle Wohlthätigkeit der Stifter, und zwar unter den Augen des einen Vorstehers auf schändliche Weise gemißbraucht wurde, so blutet mir das Herz [...] die zwei Lehrer in diesem Hause waren [...] einander bittere Feinde. Beide sprachen übrigens ein furchtbares Kauderwälsch und Fluchen und Schimpfen waren ihre wichtigsten Erziehungsmittel und unser Professor der unteren Klasse handhabte auch den Ochsenziemer fleißig.

Neben Jost besuchte zur gleichen Zeit der junge Leopold Zunz die Schule in Wolfenbüttel und beide freundeten sich an. Doch für die aufgeweckten Knaben war es auch die Gelegenheit ihren freien Geist zu entwickeln. So konnten sie ihre Kenntnisse des Talmuds durch manches in der Hausbibliothek vorgefundene Buch erweitern. So befassten sie sich mit einer aus dem 9. Jahrhundert stammenden jüdisch-deutschen Übersetzung des »Josipon«.

Im Jahre 1807 wurden beide Lehranstalten unter der Leitung von Samuel Meyer Ehrenberg (1773-1853), der die Anstalt selbst zwischen 1789 und 1794 als Schüler besuchte, zusammengeführt und im Sinne des Reformjudentums umgestaltete. Das Ziel war die Vorbereitung der Schüler für einen späteren Besuch der höheren Schule oder auf Tätigkeiten im Handel oder Handwerk. So konnte Jost bereits im Jahre 1809 als erster Jude in die Prima des Braunschweiger Gymnasiums übergehen. Zur gleichen Zeit wurde er für vier Jahre als Hauslehrer des Aufsehers der Sansonschen Stiftungen angestellt. Ihn verband, wie auch seinem Jugendfreund Zunz, eine lebenslange Freundschaft mit Ehrenberg.

Der junge Jost entwickelte eine Neigung für klassische Sprachen und er entdeckte den besonderen Wert systematischer Erschließung der Bildung und pries diesem zeitlebens stets hoch an. So erkannte er schon sehr bald, dass auch die ihm bekannten Kenntnisse der hebräischen Literatur einer wissenschaftlichen Erschließung möglich seien. In Braunschweig lernte er den hochverdienten Pädagogen Israel Jacobson (1768-1828) kennen. Dieser warf sehr bald einen Augenmerk auf den Hauslehrer und ermöglichte ihm im Jahre 1813 dank Stipendien ein Studium an der Universität Göttingen zu beginnen. 

An der Universität richtete der Student sein Augenmerk hauptsächlich auf das Sprachstudium, das auch zeitlebens seine Vorliebe war, und aber auch religiöse Themen widmete er sich. So lernte er bei Eichhorn die biblische Isagogik. Sein Lehrer bekräftigte ihn auch in seinem seinerzeit gefassten Plan eine Geschichte der Israeliten zu verfassen. Im Jahre 1814 folge Jost seinem Mentor Jacobson nach Berlin und setzte seine Studien an der dortigen Universität fort. In jener Zeit hörte er Vorlesungen bei Buttmann, Boeckh und auch bei Friedrich August Wolf­. Darüber hinaus lernte er zahlreiche Schüler der von Moses Mendelson begründeten aufklärerischen Schule, wie zum Beispiel David Friedländer und Lazarus Bendavid, kennen. Auch wenn er sich von ihnen wenig beeinflussen ließ, stand er deren Vorstellungen einer moralischen Vernunftreligion näher als die von seinem Jugendfreund Zunz und Gans auf Bais einer romantisierenden Philosophie und Geschichtswissenschaft begründeten jüdischen Religion.

Sein Förderer Jacobson beabsichtigte für ihn beim Aufbau einer neuen reformierten jüdischen Gemeinde eine Stelle als Prediger zu verschaffen. Doch lehnte Jost dieses Ansinnen seines Freundes und Förderers ab, weil er zum einen die preußischen Behörden einer solchen Neubildung wohl ablehnend gegenüber stehen würden und zum anderen die maßgebenden jüdischem Kreise der preußischen Metropole, ohne deren Unterstützung ein solches Projekt nicht realisierbar sei, sich der jüdischen Religion entfremdet hatten. So versuchten sie das Religiöse durch einen alles nivellierenden Humanismus und schöngeistige Bildung zu ersetzen und so auch für die schönsten Formen der jüdischen Kultur nicht zu begeistern seien.

Er übernahm stattdessen im Jahre 1816 die Leitung einer höheren bürgerlichen Privatschule in der sowohl christliche als auch jüdische Zöglinge gemeinsam erzogen wurden. Als er die Schulleitung übernahm war die Schule dem Verfalle nahe und im Jahre 1819 verordnete die preußische Regierung, dass alle christlichen Schüler das Institut zu verlassen hätten. Doch gelang es ihm als Lehrer das verloren gengegangene Vertrauen in die Bildungseinrichtung wieder zu gewinnen.

Im Jahre 1835 wurde der bedeutende jüdische Pädagoge Issak Markus Jost an das Frankfurter Philanthropin berufen. Dabei handelte es sich um eine bereits im Jahre 1804 gegründete größere und auch wirtschaftlich gut fundierte Bildungsanstalt, die die Bestrebungen der philanthropischen Freischulen fortführen wollte. Die Schule wurde zu einem Zentrum der jüdischen Reformbestrebungen. Während seiner Frankfurter Zeit setzte sich der Pädagoge auch für ein Waisenhaus für israelitische Mädchen ein.

Jost machte sich auch als Schriftsteller und Historiker einen Namen. So veröffentlichte er bereits im Jahre 1826 eine englische Sprachlehre und ein Shakespeare-Lexikon aber auch zahlreiche Bücher über deutschen Ausdruck und Stil. Er gab auch eine Jugendbibel heraus.

Als Historiker machte sich Jost bereits sehr früh einen Namen durch die Veröffentlichung seines Hauptwerkes »Geschichte der Israeliten seit der Zeit der Maccabäer bis auf unsere Tage« setzte er einen neuen Meilenstein der jüdischen Geschichtsforschung. Neben Basnages »Histoire des Juifs« unzulänglichen Werk gab es bis zu diesem Zeitpunkt kein vergleichbares Werk. Jost bewies so eine fundierte Quellen- und Literaturkunde dazu, ein solches Werk zu erstellen und daraus ein klares Bild zu schaffen. Er verstand es die einzelnen Bausteine aus den entlegensten Ecken und Winkeln herbei zu suschen und sich nach dem Stoffe zunächst auch ein System zur Gruppierung zu entwickeln. Schnell wurde er zu einem der führenden Köpfe der jüdischen Geschichtsschreibung.

So ist es nicht verwunderlich, dass er sich auch an den literarischen Auseinandersetzungen um die jüdische Emanzipation beteiligte. So verfasste der Schriftsteller mehrere Streitschriften. So hielt er es in seinem »Offenen Sendschreiben an den Geh. Oberregierungs-Rath Streckfuß« aus dem Jahre 1833 für angebracht auf die Schrift »Ueber die Verhältnisse der Juden in den christlichen Staaten« gegen Ausnahmemaßregeln für jüdische Bewohner des Königreichs Preußens einzutreten. Er tat dies in der Weise, dass der angesprochene Karl Streckfuß (1773-1844) selbst einige seiner Thesen und Ansichten als Irrtum kennzeichnete. Die in seinen Schriften »Legislative Fragen« und »Nachträge« in einer vorurteilslosen und objektiv vorgebrachten Argumentationen fanden im Jahre 1842 in der Frage der Militärfähigkeit der Juden in Preußen erlassenen Gesetzgeben ihren Ausdruck.

Mit seinem Kollegen Creizenach gab er die in hebräischer Sprache erscheinende Zeitschrift »Zion« heraus. In dieser Zeitschrift fand man gediegene Arbeiten und wissenschaftliche Beiträge von Redakteuren und Mitarbeitern des Blattes.  Es erschienen jedoch nur die Jahrgänge 1841 und 1842 da das Interesse des Publikums zu gering war. Auch die Zeitschrift »Israelitische Analen« brachte es der Herausgeber Jost gerade einmal auf drei Jahrgänge (1839-1841) und auch einen geringeren Anspruch an das Publikum stellte, wie »Zion«. 

Sein letztes großes Werk »Geschichte des Judenthums und seiner Secten« untersucht er die unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Lehrmeinungen der jüdischen Religion. Dabei berücksichtigt er den Zeitraum des Exils bis in die Gegenwart und wirft auch einen Blick auf die führenden Köpfe des jüdischen Geisteslebens jener Epochen.

Der Historiker Jost war auch Freimaurer. So gehörte er der Freimaurerloge »L'Aurore naisseante« an, die am 12.06.1808 unter dem Grand Orient de France unter durch Unterstützung der Mainzer Loge »Les amis réunis« gegründet wurde und überwiegend jüdische Mitgliederufnahme. Neben Jost gehörten auch Ludwig Börne, der Schriftsteller Berthold Auerbach (1812-1882), Michael Creizenach, seinem späteren Frankfurter Kollegen, und der Jurist Gabriel Riesser (1806-1863) der Loge an.

Der Pädagoge Isaak Markus Jost starb am 20.11.1860 in Frankfurt am Main, kurz nachdem er sein 25. Dienstjubiläum als Lehrer am Philantropin gefeiert hatte.

Werke:

  • Geschichte der Israeliten seit der Zeit der Maccabaeer bis auf unsere Tage, 1820-1828
  • Erklärendes Wörterbuch zu Shakspeare`s plays, 1830
  • Allgemeine Geschichte des Israelitischen Volkes, 1832
  • Israelische Analen, 1839-1841
  • Zion, 1841/42
  • Neuere Geschichte der Israeliten von 1815 bis 1845, 1846/47
  • Geschichte des Judenthums und seiner Sekten, 1857-1859

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