Paul François Jean Nicolas Vicomte de Barras

* 30.06.1754 in Fox Amphoux
† 29.01.1828 in Chaillot

Paul François Jean Nicolas Vicomte de Barras entstammte einer adeligen Familie aus der Provence und wurde in Fox-Amphoux, im heutigen Departement Var, am 30.06.1755 geboren.

Im Alter von 16 Jahren trat er als cadet gentilhomme in das Regiment Languedoc ein, und wurde im Jahre 1776 nach Indien eingeschifft.

In Indien gehörte der junge Offiziersanwärter zu den Verteidigern von Pontichéry. Als die Stadt am 18.10.1778 britischen Truppen übergeben wurde, ging er in englische Gefangenschaft. Etwa im Sommer 1780 kehrte er, aus der Kriegsgefangenschaft geflohen, nach Frankreich zurück.

Im Frühjahr 1781 beteiligte sich Barras an den Kolonialexpeditionen unter Befehl des Admirals Suffren (1729-1788) ehe er im Mai 1783 nach Versailles zurückkehrte.

In Frankreich trat Hauptman Barras, nach einer Auseinandersetzung mit dem Marineminister Castries (1727-1801), aus der Armee aus und ließ sich als Lebemann in Paris nieder. So besuchte er in jenen Jahren viele Salons und war auch bei den Frauen beliebt. Die Sängerin und Schauspielerin Sophie Arnould (1744-1802) gehörte zu seinem Freundeskreis. Bei ihr traf er auch mit Mirabeau zusammen. Ob diese Begegnung für ihn ausschlaggebend war, den Freimaurern beizutreten, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.

Die Ereignisse im Paris in den Jahren vor der Revolution verfolgte der ehemalige Offizier mit großem Interesse. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen stand er der Revolution zunächst abwartend gegenüber und beobachtete die Ereignisse. Während Danton und Desmoulins die Erhebung in Paris organisierten stand er zum Beispiel beim Sturm auf die Bastille als stiller Zuschauer am Rande.

Anfang 1790 kehrte Paul de Barras in die Provence zurück um durch eine Hochzeit seinen Lebenswandel zu sichern, da die Braut eine größere Mitgift in die Ehe einbrachte. Er kehrte erst am 07.09. 1792 als Abgeordneter seines Heimat-Departements Var nach Paris zurück. Er nahm jedoch erst am November 1792 an den Sitzungen des Konvents teil, da bis zu diesem Zeitpunkt der Abgeordnete Dubois-Crancé (1747-1814) das Departement Var vertrat. Barras hat sich der Bergpartei angeschlossen.

In der Abstimmung vom 16.01.1791 gehörte er zu den 366 Abgeordneten des Nationalkonvents, die sich für ein Todesurteil gegen den Bürger Louis Carpet - dem vormaligen König Louis XVI. - ausgesprochen hatten. Eigentlich war dieser Beschluss gegen die Verfassung von 1791, da diese eine 2/3 Mehrheit vorsah, Abgeordneter Maximilian de Robespierre wies diesen Vorwurf jedoch zurück, weil der Prozess gegen den König der Rachsucht entsprungen sei. Barras wurde während der Zeit des Terrors Mitglied im Wohlfahrtsausschuss.

Im März des gleichen Jahres unternahm er zusammen mit dem Abgeordneten Stanislas Fréron (1754-1802) eine Reise in die Departements der Basses und Haute-Alpes.

Er wurde am 30.04.1793 als Regierungskommissar zur Armée d'Italie entsandt um dort konterrevolutionäre Bestrebungen aufzuspüren und zu vernichten. Insbesondere ging es um die royalistischen Aufstände in Marseille und Toulon.

Bei der Belagerung der Hafenstadt Toulon traf Paul Barras erstmals auf den jungen Hauptman Napoleone Bonaparte (1769-1821), der die Artillerie kommandierte. Am 19.12.1793 marschierten revolutionäre Truppen in Toulon unter dem Befehl General Dugommier (1738-1794) ein und es begann eine rigorose Repressionspolitik gegen die Gegner der Revolution. Insgesamt kommen bei der von Barras und Fréron betriebenen Rachepolitik mehr als 1.000 Menschen ums Leben, zugleich nutzte Barras jedoch auch jede Gelegenheit um sich persönlich zu bereichern. Als Maximilian de Robespierre (1759-1794) von den Verhalten des Regierungskommissars erfuhr, geriet dieser bei ihm in Missgunst. Robespierre hatte wohl mehrmals überlegt, ob er einen Haftbefehl erlassen sollte. Dies spiegelte sich auch in dem Empfang wieder, den man Barras im engsten Kreis des Wohlfahrtsausschusses bereitete. Barras suchte nun die Nähe zu Tallien (1767-1820) und Fouché (1759-1820). Die drei agieren nun gemeinsam gegen die Bergpartei.

Dies führte am 27.07.1794 - den 9. Thermidor des Jahres IV - zum Staatsstreich gegen den Wohlfahrtsausschuss unter der Führung von Maximiliian de obespierre. Barras gab, als Oberbefehlshaber der Armee, den Befehl das Hotel de Ville zu stürmen und der Terreur-Herrschaft ein Ende zu setzen. Robespierre und seine Gefolgschaft wurde verhaftet und am folgenden Tag ohne Gerichtsverhandlung dem Henker zugeführt.

Der französische Historiker Octave Aubry (1881-1946) äußerte sich über seine Rolle bei den Ereignissen des 9. Thermidor folgendermaßen:

Als »Retter« des Konvents am 9. Thermidor und am 13. Vendémiaire ist Barras von Anfang an faktisch der Chef des Direktoriums. Groß, breitschultrig, mit schönem Gesicht, ist er ein kühler und blasierter Mensch, dessen Herz nur noch für seine Laster schlägt. Er scheint sie alle in sich zu vereinen. Verschwenderisch, käuflich, ausschweifend, grausam, seine Gesinnungen je nach dem Nutzen wechselnd, gelegentlich Terrorist, wiewohl zugleich in Verbindung mit den Agenten des Prätendenten, tritt er Ehre, Tugend und Vaterland mit Füßen und hat seine Hand in Staatsangelegenheiten wie in fragwürdigen Heereslieferungen, Polizeikomplotten, Weiberintrigen - dabei wahrt er, immer elegant, das gleiche zynische Lächeln. Schieber, Spione, Dirnen, der gemeinsten Handlungen fähiges Gesindel umschwirrt gleich Schmeißfliegen den vergoldeten Misthaufen, auf dem er sich in Positur stellt. Während seine Kollegen unter den aufeinander folgenden Gewaltstreichen wie Kegel fallen, bleibt er das ganze Direktorium hindurch an der Regierung.

Nun wurde Barras Sekretär des Nationalkonvents und verfolgte als Mitglied des Wohlfahrtsausschusses ab dem 05.11.1794 die Montagnads. Zugleich nutzte er sein neues Amt um sich weiteren politischen Gegnern zu entledigen.

Am 05.02.1795 wird Paul Barras zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt. Am 13. Vendémiaire des Jahres IV (05.10.1795) bediente er sich des ehrgeizigen Brigadegenerals Napoléon Bonaparte um den royalistischen Aufstand blutig niederzuschlagen. Aus Dank setzte er sich dafür ein, dass dem aufstrebenden Offizier das Kommando über die demoralisierte Italienarmee übertragen wurde. Nachdem es  Bonaparte gelang, in Italien Sieg an Sieg zu erringen und schließlich die Österreicher zum Frieden von Campo Formio zu zwingen erhielt er im Jahre 1798, ebenfalls durch eine Förderung des Direktors Barras, das Kommando für die Expedition nach Ägypten.

Am 01.11.1798 desselben Jahres wurde er in das neu geschaffene Direktorium gewählt und führte als prominentester und einflussreichster Direktor ein ausschweifendes Leben. Er gehört dem »Cercle Constitutionel« an, einen Kreis antiroyalistischer Kräfte um Talleyrand (1754-1838), Fouché (1759-1820) sowie Madame  de Staël (1766-1817). Dieser Kreis setzte sich für eine strenge autoritäre Direktoriumsstruktur ein.

Barras organisierte am 18. Fructidor des Jahres V (04.09.1797) zusammen mit den Direktoren Revellière-Lépeaux (1753-1824) und Reubell (1747-1807) einen Staatsstreich. Dies war die Reaktion des Direktoriums auf die Wahlen von April desselben Jahres, wo die Royalisten einen erheblichen Zuspruch errangen. Bei der Umsetzung stützte er sich diesmal auf den jungen General Augereau (1757-1816). Die Wahlen werden annulliert und die gegnerischen Direktoren Barthélemy (1747-1830) und Canot (1753-1823) wurden ihrer Aufgaben enthoben. Doch diese Regierung hielt nur wenige Monate.

Am 18. Brumaire des Jahres VIII. griff der durch seine Siege in Italien und Ägypten zu politischen Einfluss gelangte General Napoléon Bonaparte nach der Macht. Barras fehlte die Kraft sich gegen den jungen General, den er über viele Jahre gefördert hatte, zu wehren. So trat er am 10.11.1799 zurück.

Napoléon verbannte seinen einstigen Förderer Paul François Barras aus Paris. Zunächst ließ er sich in Grosbois und dann in der Provence nieder. Im Jahre 1810 wurde er gezwungen ein Exil außerhalb Frankreichs zu suchen und so ging er nach Rom.

Erst nach der Abdankung Kaiser Napoléons im Jahre 1814 kehrte Paul Barras nach Frankreich zurück. Dieses gestattete man ihm, obwohl er als Königsmörder stigmatisiert war. Am Ende seines Lebens schrieb er in Chailot seine Memoarien. In diesen ließ er seine Verbitterung gegenüber Fouché und Napoléon zum Ausdruck kommen.

Insgesamt ging Paul François Barras der Ruf voraus, ein korrupter Lebemann zu sein. Er war auch lange Zeit der Geliebte von Josephine, der ersten Gattin Napoléon Bonapartes.

Werke:

  • Mémoires de Barras, membre du Directoire. Publié avec une introduction générale, des Préfaces et des Appendices par Georges Duruy

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