Eleonore Prochaska

* 11.03.1785 in Potsdam
† 05.10.1813 in Danneberg

Eleonore Prochaska (1785-1813) nahm als Jäger August Renz am Befreiungskriege in den Reihen des Lützower Freikorps teil.

Am 07.10.1813 berichtete eine Zeitung über ein besonderes Begräbnis:

Heute morgen um 9 Uhr wurde die Leiche der in der Schlacht an der Göhrde verwundeten Eleonore Prochaska zur Erde bestattet, welche als Jäger im Lützowschen Korps unerkannt ihren Arm der heiligen Sache des Vaterlandes geweiht hatte. Gleich einer Jeanne d´Arc hatte sie mutvoll gekämpft den Kampf für König und Vaterland. Trauernd folgten dem Sarge, der von ihren Waffenbrüdern getragen wurde, das hannoveranische und russisch-deutsche Jägerkorps und der Oberst Graf Kielmannsegg nebst sämtlichen Offizieren. Der königlich-preußische Grand maitre de la Gadrobe, Minister und außerordentlicher Gesandter Graf von Groote, hatte sich ebenfalls eingefunden. Eine dreimalige Gewehrsalve rief der vom Sturm des Krieges geknickten Lilie den letzten Gruß nach in das Grab.

Der Oberste Graf Kielmannsegg führte das im Frühjahr 1813 aufgestellte und nach ihm benannte Jägerkorps, in deren Reihen auch die Lützower an der Göhrde gekämpft hatten.

Wer war diese Kämpferin, die ihren Patriotismus mit dem Leben bezahlte? Das der Wille nach Befreiung im ganzen Volk starke Unterstützung hatte, zeigt sich daran, dass viele Frauen - egal ob arm oder reich - dem Beispiel von Prinzessin Marianne, der Schwägerin König Friedrich-Wilhelm III., folgten und ihren Gold- und Silberschmuck zur Einkleidung und Bewaffnung der Freiwilligen zur Verfügung stellten. Aber viele Frauen waren nach den Gefechten auf dem Schlachtfeldern und kümmerten sich liebevoll und beherzt um die Verwundeten.

Aber es gab auch einige Ausnahmen, wie Anna Lühring, die ebenfalls in der Uniform der Lützower Jäger gegen Napoléon kämpfte, oder auch Johanna Steegen, die im Gefecht bei Lüneburg die kämpfenden Alliierten Truppen mit Munition versorgte. Sie nahmen sich die Tiroler Katharina Lanz und Guiseppa Negrelli zum Vorbild.

Marie Christiane Eleonore Prochaska wurde am 11.03.1785 als Tochter eines preußischen Unteroffiziers im Grenadier-Gardebataillon geboren. Die Familie lebte ihn ärmlichen Verhältnissen. Nach dem Tode der Mutter gab er seine Tochter in das Waisenhaus zur Erziehung. Ihr Vater machte die Koalitionskriege bis 1795 mit. Nach dem Tode der Mutter gab er seine Tochter in das Waisenhaus zur Erziehung.

Als der Aufruf des Königs das Volk zu den Waffen rief, zögerte das groß gewachsene, zierliche Mädchen nicht und trug sich als August Renz in die Stammrolle des Lützower Freicorps ein. Über sie schrieb Leutnant Otto Preusse:

Wir standen in Sandau an der Elbe. Hier kam auch ein Jäger Renz zur Kompanie - wie sich später zeigte, ein Mädchen Namens Prochaska. Er wurde Flügelmann, 3 Fuß, 8 Zoll, 3 Strich hoch - Es wurden uns englische Schuhe geliefert, alle bedeutend zu groß für Renz und ich musste besonders für ihn ein Paar arbeiten lassen. Seine Sprache war nicht besonders fein, so dass niemand in ihm ein Mädchen vermuten konnte. Übrigens kochte er vortrefflich in den Biwaks.

Eleonore Prochaska wollte es den Tirolerinnen und Spanierinnen gleich tun, die sich gegen die napoleonische Herrschaft aufgelehnt haben. Von deren Taten erfuhr sie durch die Erzählungen ihres Vaters. Ihren ganzen Willen, auch als Frau einen Beitrag zum Sturz Napoléons beizutragen, kann man in zwei erhaltenen Briefen aus dem Jahre 1813 an ihren Bruder erkennen.

Am 16. September, während des Gefechtes an der Göhrde, wurde Eleonore Prochaska von einem Kartätschenschuss tödlich verwundet. Über ihren letzten Einsatz schreibt der spätere Historiker und Oberjäger Friedrich Förster:

Bei der Verfolgung der Tirailleurs, welche sich, als wir sie schon aus dem Walde vertrieben hatten, nach den Anhöhen zu ihren Kanonen und Infanteriemassen zurückzogen, erhielt ich einen Schuss in den rechten Oberarm. Da mir dieser einen jener schmerzvollen Misstöne entlockte, wie man sie bei solchen Veranlassungen unwillkürlich auszustoßen pflegt, eilte mein Nebenmann in der Schützenlinie, der Maler Kersting, ein gebbürtiger Mecklenburger - dessen Goethe in Dichtung und Wahrheit rühmliche Erwähnung tut - herbei, mich zu verbinden. Damit er die Kugel aus der Wunde herausdrücken konnte, hieß er mich niedersetzen, wozu sich als geeigneter Sitz die Trommel eines tot an der Erde liegenden französischen kleinen Rataplan darbot. Bald versammelte sich eine Anzahl Freunde, und als die Operation glücklich vollbracht war, versuchte ich, um zu probieren, ob meine Armröhre ganz geblieben, die Trommel zu schlagen.

Da dies nicht zum besten gelang, nahm mir der Jäger Renz die Trommel aus der Hand und wirbelte mit großem Geschick darauf herum. »Du verstehst Dich doch auf alles« rief ein anderer ihm zu »du scheiderst, kochst, wäschst, singst und schießt wie keiner es besser versteht, und nun bist du auch noch Tambour!« - »Ein Potsdamer Soldatenkind«, sagte Renz, »muss sich auf alles verstehen«, und trommelte lustig weiter und sang »Zusamm´n, zusamm´n ihr Lumpenhund, ihr sollt zu Eurem Hauptmann komm, ihr sollt ´nen Buckel voll Prügel bekomm...«, so dass die kleine Schar, welche ihm folgte, als ob wir Soldaten spielten, bald auf 50 bis 70 Mann anwuchs. So waren wir lustiger Dinge über die ebene Heide bis zum Fuße der vor uns liegenden Hügelkette marschiert, als wir da droben Kanonen auffahren, abprotzen und alsbald ein heftiges Feuer auf die sich zurückziehende Kavallerie eröffnen sahen - »Nun hört aller Spaß auf« rief unser Trommelschläger und schlug den Sturmmarsch. Von einem Kommando und Erwägung dessen, was zu tun sei, war nicht die Rede. Mit wütendem Hurrageschrei drangen wir in den ungeordneten Haufen, mit Büchsen, wenige nur mit Bajonettgewehr, den Hügel hinan. [...]

Da warf ein zweiter Schuss seinen zerschmetternden Hagel in unsere Reihen: unser tapferer Trommelschläger stürzte neben mir, krampfhaft hielt er den Zipfel meines Überrocks fest und rief mit jammernder Stimme »Herr Leutnant, ich bin ein Mädchen!« Ohne darauf zu achten, riss ich mich los; nur noch wenige Schritte und wir standen in der Schanze. Dieses letzte und entscheidende Wagnis gelang. [...] Mir war plötzlich bei dem Jubeltanz um das Geschütz der Hilferuf unseres Trommelschlägers wieder ins Gedächtnis gekommen und nur dunkel schwebte mir vor, das Renz mich mit den Worten festgehalten: »Herr Leutnant, ich bin ein Mädchen!« Ich stürzte zurück nach der Stelle, wo ich noch manchen andern Freund hatte fallen sehen. Um Renz fand ich einen unserer Ärzte beschäftigt, eine Kartätschenkugel hatte ihm den Schenkel zerschmettert, man hatte ihm den beklemmenden Waffenrock geöffnet: der schneeweiße Busen verriet in pochenden Schlägen das jungfräuliche Heldenherz. Kein Laut der Klage kam über ihre Lippen, um die noch sterbend ein beseligtes Lächeln schwebte.

Förster tat im Jahre 1813 als Oberjäger Dienst bei den Lützower Jägern, war aber mit den Aufgaben eines Offiziers betraut. Erst am 15. November 1815 wurde er zum Seconde-Lieutnant ernannt.

Die Sterbende wurde vom Schlachtfeld aus in ein Bürgerhaus in Dannenberg gebracht, wo sie am 05. Oktober 1813 an den Folgen ihrer Verletzung starb. Ihre Beisetzung erfolgte unter großen Anteil der Kameraden und der Bevölkerung.

Der Dichter Friedrich Rückert dichtete über die Prochaska u.a.

Zum Glück traf dich die Kugel nicht eh´r,
Als bis Du dir hattest genügliche Ehr
Erstritten in Mannesgebärden,
Jetzt kannst Du ein Weib wieder werden.

Doch ich müsste mich schämen, ein Mann zu heißen,
Wenn ich nicht wollte führen das Eisen
Und wollte Weibern es gönnen,
Das sie es führen können.

Auch in den Jahren nach den Befreiungskriegen wurde die Geschichte des »Lützower Jägers August Renz« nicht vergessen. Der Name Eleonore Prochaska war von dieser Zeit an immer auch mit der der heldenhaften Jungfrau verbunden, die ihr Leben auf dem Schlachtfelde für ihr Vaterland lies.

So wurde 1863 eine Gedenktafel an ihrem Grab angebracht und 1869 stiftete ihre Heimatstadt Potsdam ihr ein Denkmal.


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