Johann Evangelista Goßner

* 14.12.1773 in Hausen bei Günzburg/Bayern
† 30.03.1858 in Berlin

Geboren wurde Johann Goßner in Hausen, was damals zur Pfarrei Waldstetten in Bayerisch-Schwaben gehörte. Er entstammte einem strenggläubigen katholischen Elternhaus, der Vater Leonhard war ein wohlhabender Bauer, und besuchte zunächst die Dorfschule in Waldstetten. Später besuchte er das »Salvatorgymnasium« in Augsburg und ging an das Priesterseminar in Dillingen um dort Philosophie und Physik zu studieren. In Ingolstadt schloss der Student noch ein Theologiestudium  am »Collegium Gregorianum« erfolgreich ab.

Seine Priesterweihe erhielt er am 09.10.1796 und setzte seine Priesterausbildung am Priesterseminar Pfaffenhausen für ein Viertel Jahr fort. Seine ersten Stationen waren als Kaplan die Gemeinden in Stoffenried und ab September 1797 Neuburg.

In Neuburg besuchten ihn zwei junge Priester, die von der Erweckungsbewegung in der katholischen Kirche im Allgäu erfasst waren, und führten mit ihm ein theologisches Gespräch. Schon in jener Zeit las er auch evangelische Schriftsteller wie Matthias Claudius und Gerhard Tersteegen (1697-1769). Auch beeindruckten ihn die Schriften von Johann Caspar Lavater (1740-1801).

So überwand er das aufklärerische Denken und lenkte seine Aufmerksamkeit auf sein Empfinden. So wurden Begriffe wie Genießen, Freundschaft, Tugend und Religion für sein Nachdenken bestimmend. Im Jahre 1798 begann er sich der Allgäuer Erweckungsbewegung um Johann Michael Sailer und Martin Johann Boos zu nähern. Die Nähe zur Erweckungskirche, wonach der Mensch allein durch den Glauben und Gottes Gnade die Erlösung erhalte, brachte ihn in Konflikt mit der konservativen bayerischen katholischen Kirchenführung. Er wurde vor ein geistliches Gericht in Augsburg geladen und zu mehreren Wochen Priestergefängnis in Göggingen verurteilt.

Im November 1798 kam Goßner als Seelsorger nach Seeg bei Füssen im Allgäu in die Pfarrei von Johann Michael Feneberg, der ebenfalls zum Kreise von Boos und  Sailer  gehörte. Gemeinsam studierten sie die Schriften der Kirchenväter und stellten die Übereinstimmung mit den neu gewonnenen Glaubensbekenntnis fest. Im April 1801 verließ er Seeg und ging als Domkaplan nach Augsburg, wo er auf Betreiben der dortigen Jesuiten am 13.03.1802 vor das geistliche Gericht geladen wurde. Obwohl er seine Ansichten dort widerrief und sich der Lehre der katholischen Kirche unterwarf, bestrafte man ihn zu mit mehreren Wochen Priestergefängnis in Göppingen.

Im Jahre 1803 trat er eine Pfarrstelle in Dirlewang an der Tiroler Grenze an, wo er zum ersten Mal persönlichen Kontakt zu Protestanten aufnehmen konnte. So hat er mit Christian Friedrich Spittler, Sekretär des Christentumsgesellschaft, einen Freund fürs Leben gefunden. Goßner fühlte sich auch der Herrmhuter Brüdergemeinde verbunden, doch zunächst hatte er das Gefühl seine Aufgabe innerhalb der katholischen Kirche noch nicht beendet zu haben. Schon früh zeigte sich in Dirlewang sein großes Rede- und Predigttalent sodass die Dorfkirche die Massen von Zuhörern nicht mehr aufnehmen konnte. Von nah und fern stürmte man in Goßners Predigten, manche trafen sogar mehr als eine Stunde vor dem Gottesdienst ein. Dies veranlasste ihn oft auch unter freien Himmel seine Predigten zu lesen.

Im Jahre 1811 gab er die Pfarrstelle in Dirlewang auf und ging als Benefiziat in München. Die größten Kirchen waren auch hier bald zu klein für seine Predigten. »Menschen von verschiedenen Klassen« so schrieb er »Barone, Beamte, Sekretäre, Offiziere, Soldaten, Damen, Künstler, Studenten, Ärzte sogar Schauspieler, Balletttänzer, Theaterdiener, Hofmusikanten, Bürger, Handelsleute, Mägde und Knechte, Metzger, Krankenwärter und Kranke, kurz von allen Gattungen hörten mit Freuden und Dank das Evangelium von dem für ihre Sünden Gekreuzigten.« Diese Popularität war den Jesuiten ein Dorn im Auge und sie verfolgten ihn. So sieht er sich im Jahre 1819 genötigt, auf Grund der stetigen Verfolgung durch die Jesuiten, sein Benifiziat in München aufzugeben. Er ging nach Düsseldorf, dass seit 1819 zum Königreich Preußen gehört, und wurde in der rheinischen Stadt Religionslehrer. Schon im folgenden Jahr verließ er Düsseldorf und ging nach St. Petersburg.

In St. Petersburg wurde er Pfarrer an der katholischen Malteserkirche. Auch hier zog der Prediger aus Deutschland zahlreiche Menschen unterschiedlichster Konfessionen in seinen Bann. In dieser Zeit war der Prediger sehr erfolgreich, sein Gotteshaus war stets überfüllt während die anderen Kirchen St. Petersburgs die Zahl der Gottesdienstbesucher immer stärker abnahm. So schrieb er über jene Jahre in St. Petersburg:

Hier ist ein großes Volk, das den Herrn sucht, ich finde, daß ich mich nicht betrogen habe, sondern daß hier viele Lydias, viele Seelen sind, denen Gott das Herz auftut, daß sie glauben, was ihnen gesagt wird vom Wort des Lebens. Sie verschlingen heißhungrig, was ihnen gepredigt wird, Leute von allen Ständen, Nationen und Konfessionen, Katholiken und Protestanten, Griechen und Juden, Tataren, Samojeden, Kirgisen und Kamtschadalen, Schweden und Finnen, Deutsche und Franzosen, Polen und Italiener - kurz, von allen Sprachen und Zungen finden sich hier Menschen, die alle mehr oder weniger vernehmen von dem Rumor, den die Predigt des Evangeliums macht; denn einer sagt und erzählt es dem andern. Die meine Zunge nicht verstehen, verstehen doch meine Zuhörer, die ihnen in ihrer eigentümlichen Mundart dolmetschen, was verkündigt wird.

Aus diesem Grunde verbündeten sich die Prediger von St. Petersburg ungeachtet ihrer Konfession und bewirkten bei Zar Alexander I. im Jahre 1824 die Ausweisung des populären Predigers.

Von nun an begann für Goßner das »geistliche Vagabundentum«, wie er es selbst nannte. Zunächst hielt er sich in Altona bei Hamburg auf und zwischen 1824 und 1826 wanderte er zwischen Leipzig und den Gütern des preußischen Hochadels. Am 23.07.1826 tat Johann Evangelista Goßner einen entschiedenen Schritt. An diesem Tage konvertierte er in Königshain/Schlesien vom Katholizismus zum Protestantismus. Im Herbst des gleichen Jahres kam er in Berlin an.

Im Jahre 1829 übertrug ihm der preußische König Friedrich Wilhelm III. nach dem Tode Johannes Jaenickes die Pfarrstelle an der Bethlehemskirche. In dieser Pfarrei blieb er bis zum Jahre 1846. Auch in Berlin vermochte es der Priester alte und junge, hohe und niedere Stände unter seiner Kanzel zu vereinigen.

Er erwarb sich große Verdienste um die innere und äußere Mission. So besuchte Goßner eines Tages den schwer erkrankten Diener einer befreundeten Familie aus St. Petersburg. Als er sah, dass dieser während seiner Krankheit an Einsamkeit litt, bat er seine Freunde diesen kranken Mann zu besuchen. Nachdem er gestorben war, äußerten seine Freunde den Wunsch, diesen Dienst nun auch an anderen Kranken zu verrichten. So entstand am 09.09.1833 der »Männer-Krankenverein«. Wenige Wochen später, am 16.11.1833 gründete er einen »Frauen-Krankenverein«. Sechs Bezirksvorsteher übernahmen die Sorge um hilflose Wöchnerinnen, Alte und siechende Patienten. Im Jahre 1836 erwarb der Verein ein Grundstück zum Bau des ersten Berliner Krankenhauses und auch die Kleinkinderbewahranstalten – die er 1834 gründete – entsprangen seiner Initiative. Am 18.10.1837 war es soweit und er konnte das erste Berliner Krankenhaus – Elisabeth-Krankenhaus – eröffnen. Angeschlossen an das Krankenhaus war eine Ausbildungsschule für Pflegerinnen.

Zwischen 1831 und 1834 war Pfarrer Goßner Mitglied des Komitees der Berliner Mission. Die Mitgliedschaft beendete er jedoch auf Grund unterschiedlicher Auffassungen in Fragen der Ausbildung, Verwaltung und Organisation. Zunächst beabsichtigte er keine eigene Gesellschaft zu gründen aber am 12.12.1836 traten sechs junge Mäner, die an keinem Missionsseminar Aufnahme fanden, an ihn heran. Sie wollten »als christliche Handwerker, Lehrer, Katecheten Lücken ausfüllen.« Er vemittelte Ihnen Arbeit bei unterschiedlichen Berliner Handwerkern und rüstete sie abends in seinem Haus für den Missionsdienst. Am 09.07.1837 fand die erste Entsendung der Missionare nach Australien und am 01.07.1838 nach Kalkutta statt. Durch König Friedrich Wilhelm IV. wurde der »Evangelische Missionsverein zur Ausbreitung des Christentums unter den Eingeborenen der Heidenländer« bestätigt und zugleich verlieh er dem Verein die Kooperationsrechte. Insgesamt entsandte Pfarrer Goßner 141 Missionare und 16 Theologen in die Heidenwelt. Seine Nachfolge trat der Missionar Dr. Johann Detlef Prochnow (1814-1888) an.

Goßner wirkte auch als Schriftsteller. So verfasste er zum Beispiel eine Neuauslegung des Neuen Testaments. Eine weitere bekannte Schrift aus seiner Feder ist u.a. das »Herzbüchlein«, das derb-anschauliche Texte und um das Herz des Menschen aus vielen Perspektiven bildhaft darstellt. Es wurde insgesamt in mehr als 22 Sprachen übersetzt. Auch das »Schatzkästchen« ist ein Andachtsbuch.

Auf 800 Seiten publizierte und sammelte GoßnerBriefe und Aufzeichnungen zu seinen verstorbenen Freund Boos, die später zahlreichen Autoren als Grundlage für eigene Darstellungen des Theologen dienen sollte.

Er war auch Herausgeber einige Zeitschriften und der »Sammlung ausgewählter Lieder von der erlösenden Liebe«, in dem auch das Lied »Segne und behüte uns durch deine Güte, Herr, erheb dein Angesicht über uns und gib uns Licht!«, dass Goßner zugeschrieben wird. Weiterhin zeichnete er als Herausgeber für mehrere Monatsschriften, wie beispielsweise »Der christliche Hausfreund« verantwortlich.

Johann Evangelista Goßner starb am 30.03.1858 im 85. Lebensjahr an den Folgen eines Nierenblutens. Noch heute ist sein Name in der Erinnerung erhalten geblieben. Die Goßner Mission setzt seine Arbeit für Gerechtigkeit und die Überwindung der Armut in Indien, Neapeö, Sambia sowie Osteuropa und auch in Deutschland fort.

Werke:

  • Vom erbaulichen Lesen der Heiligen Schrift, 1807
  • Herzbüchlein, 1812
  • Brosamen aus der Schriftenreihe eines Gesalbten, 1816
  • Geist des Lebens u. der Lehre Jesu Christi, 1818
  • Die ev. Hauskanzel, 1843
  • Vergißmeinnicht, 1859

Herausgeber:

  • Sammlung ausgewählter Lieder von der erlösenden Liebe, 1820
  • Die Biene auf dem Missionsfelde, 1834
  • Der christliche Hausfreund, 1846

Lieder

  • Segne und behüte uns durch deine Güte, Herr, erheb dein Angesicht über uns und gib uns Licht!

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