André Chénier

* 29.10.1762 in Konstantinopel
† 08.07.1794 in Paris

André Chénier wurde am 29.10.1762 in Galata bei Konstantinopel geboren. Sein Vater stammte aus einer südfranzösischen Kaufmannsfamilie mit adeligen Wurzeln. Als seine Geschäfte durch den Siebenjährigen Krieg schlecht liefen, ging er nach Konstantinopel. Dort gingen seine Geschäfte bedeutend besser und brachten ihm einen gewissen Wohlstand. André war das vorletzte von fünf Kindern des Paares, er war der ältere Bruder des Dramatikers Marie-Joseph Chènier.

Als sich im Jahre 1765 die geschäftliche Situation des Vaters verschlechterte, siedelte die Familie nach Paris über. Dort trennte sich die Familie, die Mutter blieb mit den drei älteren Kindern in Paris, während der Vater für mehrere Jahre nach Salé in Maroko ging. Dort war er als hauptberuflicher Konsul Frankreichs tätig. Bis zu seinem 11. Lebensjahr blieb der junge André, zusammen mit seinem Bruder Marie-Joseph bei einem Onkel in Carcasonne. Erst 1773 zog er zu seiner Mutter, die sich in Paris niederließ, wo die beiden Brüder ab 1773 das Collége dé Navarre besuchte und dort eine solide klassische Bildung erhielt.

Seine Mutter unterhielt in Paris einen Salon, wo sich Literaten, Maler, Naturforscher, aber auch Archäologen - die klassische griechische Kunst wurde gerade wiederentdeckt - versammelten. Ab 1778 trug er auch eigene Gedichte vor.

In den Jahren 1782 und 1783 begab sich der junge Chenier als Offiziersanwärter nach Straßburg, wo er mit Philippe Brunck (1729-1803) zusammentraf. Bruncks »Griechische Anthologie« war die Grundlage vieler Gedichte Cheniers. Nachdem er seinen Abschied nahm reiste er im Jahre 1784 mit einem befreundeten Brüderpaar in die Schweiz und im folgenden Jahr nach Italien, wo er von den antiken Kunstschätzen beeindruckt war.

In Paris lebte er wieder bei seiner Familie und dichtete, wobei er durch die Gäste des Salons seiner Mutter ermutigt wurde, eine schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen. Zu seinen Förderern gehörte z.B. der anakreontische Lyriker Lebrun . In diesem Jahre schuf er Hirtengedichte. In einem Teil seiner Gedichte, insbesondere der Elegien ist durch eine schwärmerische Liebe zu »Camille« beeinflusst. Hinter »Camille« verbirgt sich die verheiratete Michelle de Bonneuil.

Da er in Geldnot geriet, bemühte er sich um eine Anstellung im Diplomatischen Dienst. Chénier arbeitete ab 1787 in London als Sekretär an der französischen Botschaft. Während dieser Zeit las er die Schriften von Milton (1608-1674) und Shakespeare , die er bewunderte. So verarbeitete er Ophelias Song aus »Hamlet« in einem späteren Gedicht. Der Zugang zur englischen Gesellschaft fiel ihm jedoch schwer, sodass er sich wie im Exil fühlte. Im April 1790 kehrte er ins revolutionäre Frankreich zurück.

Er begrüßte die Revolution als notwendiges Ereignis, doch konnte er mit den radikalen Ausschreitungen derselben nicht viel anfangen. So schrieb er ab 1791 in seinen Gedichten und Texten gegen die Jakobiner im seiner Zeitung »Le Jeu de Paume«. Er schrieb gegen die Auswirkungen der wahren Freiheit und musste lernen, dass sich seine revolutionären Hoffnungen nicht so schnell verwirklichen ließen.

Der Widerstand Chéniers gegen die Jakobiner wächst und er schrieb viele Artikel im »Le Moniteur«. In diesen Artikeln griff er die jakobinischen Führer auch persönlich an. Diese Artikel waren die Ursache für seinen Untergang.

Im Jahre 1792 assistierte er im Prozess gegen Ludwig XVI. dem Verteidiger des Königs, Chrétien Guillaume de Lamoignon de Malesherbe (1721-1794).

Nach der Ermordung Jean-Paul Marats (1743-1793) durch Charlotte Corday äußerte er sich erneut konterrevolutionär. Er schrieb die berühmte »Ode an Marie-Anne-Charlotte Corday«.

Nachdem nach dem Tode Marats die gemäßigten Kräfte in Frankreich besiegt waren, verbrachte Chénier die meiste Zeit in Rouen und Versailles. Dort schrieb er Verse und studierte verschiedene Dinge. In Versailles lernte er Madame Le Coulteux kennen, welche die Fanny in seinen Gedichten werden sollte. Er arbeite tagsüber an seinen Gedichten und schrieb die Verse an »Fanny« in der Nacht. Françoise Le Coulteuxs Freundschaft und Familie war eine Quelle großer Freude für den Dichter.

Am 07.03.1794 wurde Chénier bei einer Feier bei Madame Pastoret in Passy verhaftet. Man brachte ihn für 141 Tage in das Gefängnis St. Lazare. Die Zeit im Gefängnis war für ihm schwer, hatte er doch mit vielen Gefangenen Jahre zuvor im Salon seiner Mutter oft Reibereien gehabt. Im Gefängnis schrieb er weiterhin Gedichte, die er mit seiner Wäsche heimlich herausschmuggelte. Hier traf er auch Anne-Françoise-Aimée de Franquetot de Coigny, die seine Muse wurde. Im Gefängnis schrieb er auch sein Hauptwerk »La Jeune Captive«, das er, auf dem Weg zur Guillotine, heimlich an Coigny übergab. In diesem Werk reflektiert er die Sehnsucht des zum Tode verurteilten Dichters wieder, Coigny verdrängte in ihren Memoarien die Gefühle Chéniers vollkommen.

Nach langen Debattieren hofften Chénier und sein Bruder Marie-Joseph, das das Tribunal sie vergessen habe. Ihr Vater jedoch machte immer wieder auf den Fall aufmerksam und verlangte eine Haftentlassung seiner Söhne. So wurde Chénier am 07.07.1794 vor das Tribunal gebracht und am nächsten Tage hingerichtet. Auf dem Wege zum Hinrichtungsplatz soll er noch zu einem Mitgefangenen gesagt haben: »Ich hinterließ nichts für die Nachwelt und nun?« und er packte sich an die Stirn. »Ich habe dort etwas hinterlassen.« Neunzehn Tage später folgte ihm Maximilian Robespierre auf die Guillotine und damit war das Ende der Terrorherrschaft eingeläutet.

Zu Lebzeiten wurden nur wenige seiner Gedichte veröffentlicht. Erst 1819 wurde die erste Edition seiner Gedichte publiziert und die Masse würdigte seine Begabung. Er beeinflusste die Dichterschule der Romantiker. Nach 1850 beeinflussten seine Werke auch die Parnassianer.

Das tragische Schicksal Chéniers inspirierte viel Autoren und Künstler, so komponierte Umberto Giordano (1867-1948) eine gleichnamige Oper, in der er im Mittelpunkt stand. Die Uraufführung von »André Chénier« war im Jahre 1896.


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