Justus Erich Bollmann

* 10.03.1769 in Hoya/Weser
† 10.12.1821 in Kingston/Jamaika

Geboren wurde der spätere Abenteurer Justus Erich Bollmann am 10.03.1769 als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns in Hoya an der Weser. Nach dem Medizinstudium in Göttingen ging er 1792 - nach seiner Promotion – nach Paris.

Bollmann beabsichtigte sich in der französischen Hauptstadt als Arzt niederzulassen. In dem Bewusstsein eines Demokraten schrieb er:

»Uebrigens bin ich Demokrat mit ganzer Seele und freue mich in diesen Tagen, wo die Menschheit so thätig sich rührt und regt, zu leben.«

In der französischen Hauptstadt wollte sich ein Onkel dem Fortkommen des jungen Mannes widmen, doch erfüllten sich die gegenseitigen Erwartungen nicht. Sein Versuch sich als Arzt in Paris Fuß zu fassen erfüllte sich nicht.

Doch durch die kriegerischen Ereignisse jener Tage wurde sein Unterfangen verhindert. In Paris lernte er Anne Germaine Louise de Staël, die Tochter des ehemaligen Finanzministers Jacques Necker, kennen.

Am 10.08.1792 sammelten sich in den Pariser Vorstädten Handwerker und kleine Ladenbesitzer und zogen zum königlichen Palast in den Tuillerien. König Louis XVI. und seine Familie waren den Massen längst entwichen und stellten sich unter den Schutz der Nationalversammlung. Es kam zu ersten Handgreiflichkeiten über deren tragisches Ende der Augenzeuge Bollmann folgende Zeilen verfasste:

Ich habe schauderhafte Scenen gesehen; man warf die Schweizer lebendig ins Feuer; man hat sie hingeschunden und verstümmelt. Selbst die todten Körper blieben von keiner Art der Mishandlung frei. Abends wurden die verstümmelten Leichname, dreißig bis vierzig, auf einem Wagen fortgefahren, oben auf dieselben setzten sich Pikenträger, triumphierend, immer gegen die todten, nackten Körper wüthend. Die zerissenen Kleidungsstücke der Schweizer, ihre Köpfe auf Stangen, wurden im Triumph umhergetragen, ja der Pöbel suchte die Schweizer auch in den Häusern auf, in denen sie Thürhüter waren. Und diese braven Schweizer, alle folgten ihrer Ordre, vertheidigten ihren Posten und thaten also ihre Pflicht.«

Auf Bitten der hochschwangeren Madame de Staël half er ihren Geliebten Narbonne zu retten. Die Massen forderten den Kopf des Kriegsministers Narbonne. Für den Abenteuer Bollmann war es zum einen die Chance sich als ritterlichen Helden zu beweisen und zugleich hoffte er seine persönliche Karriere zu befördern. So besorgte er sich englische Pässe und tauschte diese gegen französische Pässe und hielt eine Kutsche bereit. Nachdem Narbonne eingestiegen war, ließ der Kutscher die Peitsche knallen und er berichtete über diese Flucht:

»An allen Orten, wo wir die Pässe vorzeigen mußten, auf den Wachstuben, bei den Muncipalitäten, an den Thoren, suchte ich die Aufmerksamkeit durch frappandte Neuigkeiten aus Paris abzulenken, während sich Narbonne, nur englisch sprechend, schläfrig, träge und spleenhaft im Hintergrunde und in meinem Schatten hielt. Ich vertiefte auf jeder Station die Polizeischergen durch zum Theil erdichtete politische wunderdinge; erzählte, daß man Narbonne gefangen habe, ihm den Proceß machen werde, morgen, und das war wahr, auf dem Carrouselplatze den ersten Versuch machen wolle mit der neuerfundenen Maschine, welche die Köpfe schmerzlos vom Rumpfe trenne, und der Dinge mehr.«

Es gelang Bollmann alle Kontrollen zu täuschen und gemeinsam mit Narbonne erreichte er England. Auf eine Leibrente, die ihn Narbonne zahlen wollte verzichtete der Abenteurer jedoch.

Doch statt sich in England um eine Anstellung bei der deutschen Kanzlei zu bemühen oder sich als Arzt niederzulassen plante Bollmann eine weitaus größere Aktion. Er plante den Marquis de La Fayette aus seinem preußischen Gefängnis in Ölmütz zu befreien. La Fayette, der nach dem 10.08.1792 erfolglos versuchte einen mit einem Teil der Armee auf Paris zu marschieren flüchtete nachdem dieser Plan gescheitert war zu den Kriegsgegnern. La Fayette, der Anhänger der konstitutionellen Monarchie vertrat den Schutz des Eigentums und der Ordnung. Eine Position mit der sich viele europäische Intellektuelle jener Tage identifizieren konnten. Auch jenseits des Atlantiks feierte man ihn als Helden des Unabhängigkeitskrieges.

Die Österreicher hielten jedoch den Ort, an dem man den Gefangenen festhielt, streng geheim. Selbst die Wärter kannten nicht den Namen des hochgestellten Inhaftierten. Es deuteten jedoch zahlreiche Indizien auf Olmütz hin und so begab sich der Abenteurer dorthin. Durch den Gefängnisarzt, mit dem er sich als Kollege befreundete, sandte er den Gefangenen eine Nachricht über seine Ankunft. La Fayette änderte jedoch Bollmanns Plan, sodass man keinen Wärter bestach sondern eine Entführung auf freiem Feld durchführen sollte. Die Gelegenheit dafür boten Spazierfahrten, die der Marquis unter starker Bewachung unternehmen konnte. Ein junger Amerikaner, den Bollmann in Wien kennenlernte, begeisterte sich ebenfalls für die Befreiungsaktion.

Doch am Tage der Befreiungsaktion verließ nicht alles nach Plan. So trafen sie viel später als gedacht auf die Kutsche des Marquis. Der amerikanische Gefährte Bollmanns schrieb über die Vorkommnisse:

Sie sahen die beiden Herren aussteigen und Arm in Arm fortgehen, sie näherten sich ihnen behutsam und da sie bemerkten, dass La Fayette und der Offizier in eifrigem Gespräch über des Letzteren Degen waren, welchen La Fayette gerade in der Hand hielt, so glaubten sie diesen Gegenstand den günstigsten, und gaben ihren Pferden die Sporen. Der Lärm, den diese verursachten, erschreckte den Offizier, und als er, sich umwendend, zwei Reiter in vollem Galopp auf sich lossprengen sah, eilte er dem Kabriolet zu, indem er La Fayetten mit sich fortzog. Da dieser sich widersetzte, suchte er seinen Degen, ihm wieder zu entreißen, und es begann ein Kampf darum. Jetzt war Huger zur Hand: »Nehmt das Pferd!« rief er »Ihr seid frei, und das Glück möge uns günstig sein!« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, dass ein Sonnenstrahl auf die blanke Klinge des Degens fiel, und der Glanz davon das Pferd so scheu machte, daß es seinen Zügel zerriß und eiligst über die Ebene sprengte.

So musste La Fayette auf das andere Pferd gesetzt werden und allein die Flucht versuchen. Sie scheiterte jedoch, weil er des Deutschen nicht mächtig war und den falschen Weg einschlug. Bollmann und sein Helfer wurden verhaftet und nach mehreren Monaten Haft überraschend entlassen.

Nach seiner Entlassung aus österreichischer Gefangenschaft ging der Abenteurer zunächst nach Hamburg. Dort hoffte er das Herz von Christiane Reimarus zu erobern. Doch stellten sich die Eltern gegen den Bräutigam und so blieb sein Liebeswerben unerhört. Im Jahre 1795 heiratete sie den französischen Diplomaten Karl Friedrich Reinhard.

So begab sich Bollmann nach Amerika um dort sein Glück zu finden. Dort gründete er im Jahre 1797 ein Kommissionsgeschäft mit Sitz in Philadelphia. Nach anfänglichen erfolgreichen Geschäften musste er es im Jahre 1803 jedoch aufgeben nachdem er bei einer Teespekulation alles verlor.

Am Morgen des 11.07.1804 ereignete sich folgende Szene im Leben Bollmanns, die Oppermann in seinem Roman »Hundert Jahre« folgendermaßen beschrieb.

Zwei stattliche Männer standen sich am Morgen des 11. Juli 1804 bei Weehawken auf Neujersey gegenüber, die Pistolen in der Hand; Justus Erich Bollmann gab das Commandowort, zwei Schüsse fielen gleichzeitig, eine hohe, kräftige Mannesgestalt brach zusammen, zu Tode getroffen. Der Unparteiische und Arzt suchte nach der Kugel, sie war durch die Brust gegangen und saß in dem Rückenmarksknochen. Der Getroffene war der Mann, den die Union nach Washington am meisten liebte, der nach ihm das meiste gethan hatte zur Aufrichtung des Bundesstaats, Alexander Hamilton.

Abgegeben wurden diese tödlichen Schüsse durch Aaron Burr, den dritten Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten. Dies war das politische Ende des Vizepräsidenten. Er unternahm für Burr weite Reisen in den Westen um das dortige Terrain zu sondieren. Präsident Jefferson ließ Bollmann im Jahre 1806 in New Orleans verhaften. Er galt als rechte Hand von Burr gegen den wegen Hochverrats ermittelt wurde. In einem Prozess wurde er jedoch aus Mangeln an Beweisen freigesprochen. Bis heute ist jedoch ungewiss, welche Pläne beide Männer tatsächlich verfolgten. Nach den vorliegenden Indizien beabsichtigte Aaron Buur wohl eine Privatarmee aufzustellen, die im Falle eines Krieges zwischen den USA und Spanien von Louisiana aus auf spanisches Gebiet einfallen sollte, um einen unabhängigen Staat zu errichten. Man konnte, da Louisiana erst im Jahre 1803 von Frankreich abgetreten wurde, an der Loyalität der Bevölkerung zweifeln.

In den Jahren 18114/15 nahm er als Agent des Bankhauses Baring Brothers & Co. am Wiener Kongress teil. Das Bankhaus hatte für England die Kriege gegen Napoléon finanziert. So schrieb er bald an seinem Bruder:

Von den bedeutendsten Leuten kenne ich die Meisten persönlich, und den Fürsten Talleyrand schon von alten Zeiten.

Viele der Gesandten erinnerten sich noch seines Namens und zogen, wie der österreichische Finanzminister Graf Stadion ihm zu Rate. Für diesen verfasste er eine Denkschrift über die Möglichkeiten, wie man das Papiergeld wieder vom Markt verdrängen könne. Mit dem preußischen Finanzminister plante er die Elbe mit Dampfschiffen zu befahren. Auch den Bremer Bürgermeister Johann Smidt unterbreitete er Überlegungen zur Dampfschifffahrt auf der Weser. Als wenige Jahre später die ersten Dampfschiffe auf der Weser fuhren konnte Bollmann jedoch keinen Vorteil für sich daraus ziehen. Mit dem russischen Finanzminister Gurieff sprach er über die Option Platin-Münzen herauszugeben. Im Jahre 1828 setzte man diesen Plan in Russland um und verausgabte Platin-Dukaten.

Zu den jüngeren Bewunderern des Abenteurers gehörten Friedrich Grentz und Karl August Varnhagen von Ense. Beide veröffentlichten 20 Jahre später die »Denkwürdigkeiten Justus Erich Bollmanns«.

Im Jahre 1815 versuchte er sich erneut als Unternehmer in England. Er gründete in London eine neuartige Essigfabrik. Durch diese Fabrik wollte er sich seine Unabhängigkeit sichern. Im Auftrage des Bankhauses Baring knüpfte er auch Kontakte mit dem südamerikanischen Freiheitshelden Simom Boliver. Auf einer Reise nach Westindien starb Justus Erich Bollmann am 10.12.1821 in Kingston auf Jamaika.

Karl August Varnhagen von Ense veröffentlichte im Jahre 1837 erstmals den Lebensweg dieses Abenteurers. Er stand seit der Zeit, wo er Bollmann auf dem Wiener Kongress kennenlernte, mit ihm im Briefwechsel. Dieser endete erst im Jahre 1819. Zunächst veröffentlichte er den Bericht über »La Fayettes Befreiung als Ölmütz durch Bollmann und Huger 1794«. Bollmann war auch eine der Hauptfiguren in Heinrich Albert Oppermanns Roman »Hundert Jahre«,der anno 1871 in Leipzig erschien.


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